Die Maschkera von Grainau: Fosenacht, Familie und Festlichkeit

Das Zugspitzdorf Grainau zelebriert die fünfte Jahreszeit noch nach alten Bräuchen. So sieht es aus, wenn sich die Einheimischen in die geheimnisvollen Maschkera verwandeln.

Zur Fosenacht setzen Jung und Alt ihre traditionellen „Larven“ auf und schlüpfen in alte Gewänder, um unerkannt Gaudi zu machen. Sei es als Schellenrührer, der durch geschickte Bewegungen die schweren Kuhglocken am Gürtel zum Läuten bringt, oder als Bär, der an einer Kette von den Treibern geführt wird. Seit Jahrhunderten erweckt das Zugspitzdorf Grainau jedes Jahr aufs Neue die Bräuche der Fosenacht zum Leben. Die närrische Zeit beginnt am ersten Sonntag nach Heilig Drei Könige, dem 12. Januar 2025, und dauert bis Mitternacht am Faschingsdienstag, dem 4. März 2025, an. Darum ist das Maschkera-Gehen sowohl für die Einheimischen als auch die Zuschauer ein Höhepunkt zum Jahresauftakt.

Menschen werden zu Maschkera

Tobias Ostler war selbst zehn Jahre lang in der Vorstandschaft des Fosenachtvereins Grainau e.V. Er kennt sich daher mit den alten Brauchtümern bestens aus: „Zur Fosenacht verkleiden sich die Einheimischen im Werdenfelser Land mit alten Kostümen oder Trachten. Absolutes Highlight sind die handgeschnitzten Holzmasken, die sogenannten Larven. Sie verwandeln die Menschen in Maschkera.“ Im Anschluss ziehen sie im Dorf umher. „Beim Maschkera-Gehen geht es darum, voll und ganz in seine Rolle einzutauchen und nicht erkannt zu werden. Nichts darf an die gewöhnliche Gestalt erinnern“, erklärt Ostler.

So funktioniert die Verwandlung

„Auf den Kopf kommt zuerst eine weiße Baumwollwindel, damit die Haare verdeckt sind. Darüber wird dann die Larve, meist mit einem zusätzlichen Fransentuch um Kopf und Hals, getragen – sie darf nicht abgenommen werden“. Neben Handschuhen und Haferl ergänzt je nach Figur ein passender Hut die Verkleidung. Daneben müssen die Teilnehmenden Eigenarten, Gang und Sprache verändern. Ein Maschkera spricht nicht, sondern ruozt (raunzt) mit seiner Kehlstimme. „Eine wichtige Regel beim Maschkera-Gehen lautet, dass ein Maschkera über andere Mitmenschen Gericht halten darf, ohne dass diese handgreiflich werden dürfen“, sagt der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Fosenachtvereins. Jedes Maschkera-Treiben endet pünktlich um 24 Uhr. Wer diese Zeit verpasst, muss die Larve abnehmen und wird vor allen enttarnt. Ein guter Maschkera hat deswegen stets die Zeit im Blick.

Jede Larve ein Unikat

Um optimal ausgerüstet zu sein, braucht es auch Hobbyschnitzer wie Simon Buchwieser, welche die einzigartigen Larven anfertigen. „1989 schnitzte ich meine erste Hexenlarve“, erinnert er sich zurück. Was als Freizeitbeschäftigung begann, entwickelte sich im Ruhestand zu einer Leidenschaft, die er das ganze Jahr über ausübt. Spezialisiert hat er sich auf themenbezogene Charakterlarven in alter Werdenfelser Form, hergestellt nach der alten Fasstechnik.

„Bei meinen Ideen orientiere ich mich nicht nur an einheimischen Maschkera-Originalen, sondern betreibe Beobachtungen aller Art und nehme Gesichtsstudien im Alltag vor“, erzählt der 71-jährige. „Auch Porträts von lebenden oder bereits gestorbenen Menschen setze ich anhand von Fotovorlagen in Larven um.“ Verbindungen zu traditionellen Maschkera-Gruppen, professionellen Bildhauern und Larvenspezialisten weit über den Landkreis hinaus erweitern seinen Wissensschatz zusätzlich.

Mehr Komfort für die Maschkera

„Nachdem ich eine Vorzeichnung angefertigt habe, verwende ich einen massiven Holzblock aus Linden- oder Zirbenholz“, erläutert der Schnitzer. Wichtig ist, das Blickfeld der Augen möglichst groß zu halten und Mund und Nase genügend Freiraum zu geben. So bleibt das Tragen komfortabel. „Gerade um den Mundbereich arbeite ich das Material bis auf wenige Millimeter aus, um eine Resonanzverstärkung beim Sprechen mit verstellter Stimme zu erhalten“, ergänzt Buchwieser. Per Hand wird die Larve sorgfältig geschliffen und für die Fassung vorbereitet. Die Fassung erfolgt in einer uralten überlieferten Technik mit Naturmaterialien.

So aufwendig ist die Herstellung der Larven

Die ersten feinen Schichten der Fassung werden mit der Technik der Polimentvergoldung aus der Kirchenmalerei aufgetragen. Es folgen weitere dünne Schichten mit einer Mischung aus heißen tierischen Haut- und Knochenleimen sowie Stein- und Champagnerkreide, die immer wieder verschliffen werden. Erst dann folgt die farbliche Fassung mit reinen Pigmenten. Zum Abschluss versiegeln mehrere Schutzschichten aus natürlichen Stoffen und Bienenwachs das Werk. „Der Zeitaufwand für eine Werdenfelser-Originallarve beläuft sich auf rund 20 bis 35 Stunden“, fasst Buchwieser zusammen. Seine Schätze bewahrt er daher besonders gut auf, damit sie lange erhalten bleiben.

Kleine Larven für die Maschkera-Kindergruppe

Neben den Erwachsenen bereiten sich auch zahlreiche aktive Kinder-Maschkera-Gruppen in Ober- und Untergrainau jährlich auf das Spektakel vor. „Die Eltern lehren den Kindern bereits von klein auf, wie sich ein echter Maschkera anzieht und wie er sich verhalten sollte“, berichtet Ostler. „Die Holzlarven werden meist von Generation zu Generation weitergegeben – manch einer ist sogar im Besitz einer eigenen handgemachten und passenden Holzlarve.“

Dem Einfallsreichtum der Kleinen sind dabei keine Grenzen gesetzt. Sie können allein bestimmen, wie sie gehen möchten und was sie dafür alles benötigen. Gemeinsam mit den Eltern wird dann gebaut und genäht, bis das perfekte Endergebnis vorliegt. Sei es als kleines Kindermühlradl, als Kinderbärengruppe oder als Maschkera Musi: Die Larven stecken voller Erinnerungen, welche die Familien noch lange begleiten werden.

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