Inga und Michael, womit beschäftigt ihr euch im Schneefernerhaus?
Dr. Inga Beck: Ich bin für die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der UFS Schneefernerhaus zuständig. Unsere Umweltforschungsstation – dafür steht das UFS im Namen – beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Umwelt- und Klimaschutz. Eines dieser Themen ist der Gletscher auf der Zugspitze und seine Entwicklung aufgrund des Klimawandels. Immerhin steckt der schon in unserem Namen: Ferner ist ein anderes Wort für Gletscher.
Prof. Dr. Michael Krautblatter: Ich arbeite an der Technischen Universität München und bin im Zuge meiner Forschung zum Thema Hangbewegungen und speziell Permafrost regelmäßig im Schneefernerhaus. Hier untersuchen wir, inwieweit der Permafrost rund um die Zugspitze zurückgeht. Darüber hinaus versuchen wir, Prognosen für die zukünftigen Auswirkungen dieses Rückgangs zu erstellen.
Welchen Teil der Zugspitze betrifft das vor allem?
Michael: Dabei geht es um die sogenannten „klimasensitiven Räume“. Das ist der Bereich zwischen 2.000 und 3.000 Höhenmetern, denn dazwischen passiert den Klimawandel betreffend enorm viel, der Bereich passt sich sehr stark an die äußeren Einflüsse an.
Wie macht sich der Klimawandel dort bemerkbar?
Michael: Die Gletscher ziehen sich immer weiter zurück, auch der Permafrost geht aus dem Schutt und den Felsen zurück, die sich dort befinden. Außerdem verändert sich die Vegetation ziemlich stark. Das liegt vor allem daran, dass diese natürlichen Systeme sehr sensibel auf Veränderungen reagieren.
Woran erkennt ihr das?
Inga: Das sieht man bereits, wenn man einen regelmäßigen Blick auf die Umgebung hier oben wirft. Der Gletscher auf der Zugspitze, also der Schneeferner, wird durch die steigenden Temperaturen immer kleiner, vor allem im Sommer sieht das mittlerweile sehr traurig aus. Hier kann man den Klimawandel mit bloßem Auge voranschreiten sehen.
Was genau passiert mit dem Schneeferner auf der Zugspitze?
Michael: Generell ziehen sich Gletscher, die ja eine sichtbare Vereisung sind, in diesen Höhen sehr schnell zurück und geben damit Sedimente frei. Der Schneeferner besteht bereits heute fast ausschließlich aus Toteis. Er hat keine richtige Gletscherdynamik mehr. Prognosen sagen, dass er in etwa 20 bis 30 Jahren vollständig verschwunden sein wird. Auf der Zugspitze gibt es noch einen zweiten Gletscher: den Höllentalferner. Und er wird länger überleben, das hat man in den letzten 50 Jahren deutlich beobachten können.
Worin besteht der Unterschied zwischen den beiden Gletschern?
Michael: Der Schneeferner liegt komplett ungeschützt in Richtung Sonne und bekommt somit die geballte Strahlkraft ab. Zudem befand sich die Schneegrenze in den letzten Jahren immer höher als der Gletscher. Das bedeutet, es gibt seit etwa 30 bis 40 Jahren kein einziges Jahr mehr, in dem am Ende des Sommers noch viel Altschnee auf dem Gletscher auf der Zugspitze lag, der zu Eis werden könnte. Vielmehr lebt er seitdem von seinen Reserven. Und deshalb gibt es für ihn keine große Hoffnung mehr – es sei denn, es kämen ein paar deutlich kühlere Jahre. Aber unter den derzeitigen Klimabedingungen sieht es nicht danach aus. Dem Höllentalferner wiederum geht es da besser. Denn durch seine Lage im gleichnamigen Höllental bekommt er regelmäßig Lawinenschnee ab, außerdem ist das steile Tal sehr gut von der Sonne abgeschirmt. Er wird uns also noch eine Weile erhalten bleiben.
Inga: Interessant ist zum Schneeferner noch zu sagen, dass er quasi Suizid betreibt. Er wird mit der Zeit immer schmutziger. Steine sowie die angehäuften Schadstoffe und Dreckpartikel in der Luft legen sich auf den Gletscher. Weil sie nicht von einer neuen, weißen Schneeschicht bedeckt werden, lässt ihn dieser Schmutz viel dunkler erscheinen. Und dadurch absorbiert er mehr Energie, was in letzter Konsequenz das Tauen des Eises beschleunigt. Man kennt das von Autos: Schwarzes Metall erhitzt schneller als weißes. Dieses Phänomen wird Albedo genannt und beschreibt das Rückstrahlungsvermögen von nicht selbst leuchtenden Flächen.
Wie steht es um den Permafrost in Zeiten des Klimawandels?
Michael: Zuerst einmal zur Erklärung: Wenn wir beim Gletscher von einer sichtbaren Vereisung sprechen, dann ist Permafrost eine unsichtbare. Denn dieses Eis befindet sich nicht auf der Oberfläche, sondern in Schutt und Felsen. In Deutschland sind die Zugspitze und ihre nähere Umgebung von wenigen Quadratkilometern das einzige Permafrostgebiet. Denn die Grenze liegt bei etwa 2.800 Metern – und nur wenige unserer Berge liegen darüber. Nun ist es so, dass der unterste Teil des Permafrosts als Erstes auftaut, weil es dort am wärmsten ist. Deshalb gehen wir aktuell davon aus, dass die Permafrostgrenze bis vor ein paar Jahrzehnten noch deutlich weiter unten lag. Und dass sie wiederum in 60 oder 70 Jahren bereits über der Zugspitze mit ihren fast 3.000 Metern liegen wird. Ebenfalls eine Auswirkung des Klimawandels. Wir befinden uns jetzt also genau in der Phase, in der große Veränderungen stattfinden. Deshalb legen wir darauf gerade unseren Fokus in der Forschung.
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