Wer waren wohl die Menschen, die einst dieses schmucke Anwesen, den Spinnhof, mit Leben erfüllt haben? In Ehrwald, mitten im Ort gelegen, beherbergt er seit Kurzem das Heimatmuseum. Obwohl zwischen den letzten Bewohnern und dem heutigen Besuch viele Jahre Abstand liegen, ist die Entfernung zwischen dem Gestern und dem Heute nur kurz. Was in den frisch hergerichteten Räumen zu sehen ist, regt die Fantasie an. Es lässt die Gedanken durch die Zeit schweifen: Wessen Hände haben wohl diese Schranktüren schon geöffnet? Worüber haben sich die Menschen unterhalten, die auf diesen Stühlen saßen?
Dazu passt die Philosophie des Museumsvereins, von der Obmann Dr. Peter L. Steger berichtet. „Es geht uns darum, Geschichten erlebbar und begreifbar zu machen, die unseren Ort und das Leben der früheren Generationen geprägt haben“, sagt er. Besucher des Ehrwalder Heimatmuseums sollen leichten Schrittes eine Zeitreise antreten können, die sie mit jenen zusammenbringt, die ihre Spuren hinterlassen haben. „Es geht nicht darum, dass jemand sagt: Schau, der schöne Spiegel! Oder: Ist das eine prächtige Schnitzarbeit! Sondern, dass man sich Gedanken macht: Wer hat sich wohl zuletzt diesen Kamm ins Haar gesteckt – und vielleicht gar nicht im Sinn gehabt, dass der mal in einem Museum landet. Wer war es wohl, der das Schnitzmesser geführt hat? War seine Arbeit Zeitvertreib oder hart zu verdienender Broterwerb? Was hat ihn zu diesem Motiv angeregt?
Jedes Exponat wird zum Erzählstück
Es ist kein Wunschdenken, dem Steger nachhängt. Da von den insgesamt rund 850 Gegenständen, die das Museum besitzt, immer nur ein Teil ausgestellt ist, fällt die Konzentration leicht. Fast automatisch bewegen sich die Gedanken von der Oberfläche in die Seele der Ausstellungsstücke und lassen den Wunsch reifen: Wenn die erzählen könnten! „Sie können“, ist sich Steger sicher. Das ist nicht nur live im Museum möglich. Ein virtueller Rundgang im Internet erlaubt einen Besuch auch aus der Ferne.
Eine prägende Persönlichkeit im Spinnhof ist ein Künstler. Clemens Krauss war der Gründungsdirigent der Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Ehrwald und ist dort auch begraben. Sein Nachlass berge reichlich Material für immer wieder neue Ausstellungen, so der Obmann. Zugleich macht er sich schon Gedanken dazu, an welche bekannten und für die Region bedeutenden Zeitgenossen noch im Museum gedacht werden könne.
„Öfter mal was Neues“ im Ehrwalder Heimatmuseum
Zwei Redewendungen, miteinander kombiniert, sollen nach Stegers Überzeugung Ehrwalder Heimatmuseum zu einem Ort machen, an den man immer wieder neugierig zurückkehrt: „Öfter mal was Neues“ und „Weniger ist mehr“.
So wie die gezeigten Ausstellungsstücke einmal mitten im Leben standen, soll auch das Museum leben: „Wir wollen, dass sich regelmäßig etwas dreht in unserem Museum. Darum werden wir ungefähr alle sechs Monate eine neue Sonderausstellung zeigen. Die konzentrieren sich auf wenige, dafür aber sehr aussagekräftige Exponate“, sagt der Obmann. „So müssen sich nur wenige Schaustücke die Bühne der Aufmerksamkeit teilen. Das bringt die Besucher viel näher an die Geschichten aus der Geschichte unserer Heimat heran.“ Weshalb Steger davon ausgeht, dass das Heimatmuseum in Ehrwald sich als Anziehungspunkt für Gäste wie Einheimische entwickeln wird. Eine Mischung, von der er sich viel verspricht. Besteht dadurch doch die Chance, dass beide miteinander ins Gespräch kommen und sich Erzählungen, wie es einmal war, zu einem sehr individuellen Erlebnis für die Menschen heute verbinden.
Entdecker brauchen nicht in die große Welt aufzubrechen, um ihre Neugier zu stillen, so die Botschaft des Heimatmuseums. Auch der Ehrwalder Mikrokosmos birgt unendliche Schätze. Den Ehrwaldit zum Beispiel. Eine sehr rare Gesteinsart, die vor Millionen von Jahren als geschmolzener Basalt aus dem Erdinnern nach oben gedrückt wurde. Ein Kapitel Erd- und Ortsgeschichte, genauso wie die urgeschichtlichen Funde der ersten Sonderausstellung. Man möchte ans Fenster treten und den Bergen als ewigen Zeugen des Geschehens laut zurufen: „Erzählt mir davon!“
Ob Wurst, Honig, Knödel oder Schnaps: Passend zu den regionalen Geschichten, die im Heimatmuseum erzählt werden, gibt es im Dorfladen Ehrwald regionale Leckereien.