In Grainau werden Tradition und Zusammenhalt groß geschrieben. Die Geschichte vom Fahrzeug fürs Grainauer Rote Kreuz bezeugt dies auf eindrucksvolle Weise. Das alte Gefährt war in die Jahre gekommen, fast schon selbst ein Fall für Erste (Pannen-)Hilfe. Die Mittel für eine Neuanschaffung? Zu viel fürs Portemonnaie der ehrenamtlichen Helfer.
Die Botschaft machte die Runde im Zugspitzdorf Grainau. Da beschlossen die Vereine im Ort, sich zusammenzutun und zu helfen. Sie organisierten ein großes Fest am Musikpavillon und füllten mit dem Erlös die Rote-Kreuz-Kasse so gut auf, dass der Neuwagen gesichert war. Von überall her waren Spenden für die Tombola eingegangen, alle Helfer stellten sich freiwillig zur Verfügung. Ein besonderes Zeichen des Zusammenhalts in Grainau.
Fast jeder "Groanerer", so die mundartliche Bezeichnung für die Grainauer, ist Mitglied in einem oder mehreren Vereinen. Allen voran sind das Einrichtungen zur Daseinsvorsorge der Gemeinde, wie eben das Rote Kreuz oder die Freiwillige Feuerwehr. Andere, wie Bergwacht oder Wasserwacht, stehen im Dienst der Gesellschaft, zu der auch Urlauber und Durchreisende gehören.
Das Verständnis für die Bedeutung dieses Engagements ist in Grainau tief verwurzelt. Dazu trägt nicht zuletzt die Arbeit des Geschichtsvereins bei, der die Chronik des Ortes und seiner Vereine erforscht. Das dort dokumentierte Gespür für den Wert der "vereinten Kräfte" wird von Generation zu Generation weitergegeben. Außerdem gibt es keine Probleme, unter den Jugendlichen Nachwuchs zu gewinnen - etwas, das nicht jede Gemeinde von sich behaupten kann.
Zu den Hilfsdiensten gesellen sich eine ganze Reihe von Organisationen, in denen sich Frauen und Männer in ihrer Freizeit zusammenfinden und Traditionen pflegen. Eine Schlüsselrolle nehmen die sogenannten Traditionsvereine ein. Sie geben dem Gemeindeleben ein vielfältiges Gesicht. Neben der Feuerwehr sind das die Schützengesellschaft, die Krieger- und Soldatenkameradschaft, der Volkstrachtenverein und die Holzhacker. Es sind die Vereine, die oft eine sehr lange Geschichte haben und eine eigene Fahne tragen, mit der sie festliche Anlässe oder Umzüge wie die Fronleichnamsprozession begleiten. Dazu gehört beispielsweise auch die Grainauer Musikkapelle. Auch wenn verstorbene Gemeindemitglieder zu Grabe getragen werden, geben ihnen die Fahnenabordnungen das letzte Geleit. Mit dem 400 Mitglieder starken Mütterverein und der örtlichen Kolpingfamilie hat sich der Kreis der Fahnen-Vereine inzwischen auf sieben vergrößert
Die Vielzahl der Gruppierungen hat Folgen: Singgemeinschaft oder Obst- und Gartenbauverein, der Fosenachtsverein oder das Bauerntheater, sie alle haben ihre Veranstaltungen, Versammlungen und Wettbewerbe. Da ist der Kalender schnell gefüllt. Weil sich das Vereinsleben der Grainauer durch das ganze Jahr zieht, haben sie vor geraumer Zeit damit begonnen, ihre Termine aufeinander abzustimmen. Jedes Jahr im Herbst setzen sie sich deshalb zu einer Koordinationskonferenz zusammen. Das Ziel: Sich nicht in die Quere zu kommen und trotzdem auf nichts verzichten zu müssen.
Und noch etwas ist ganz besonders am Vereinsleben in Grainau: Denn nicht nur die Einheimischen wissen die Gemeinschaftlichkeit zu schätzen, sondern auch die Gäste. Und so kommt es, dass der Maibaumverein Mitglieder verzeichnen kann, die nicht etwa aus Grainau oder der Umgebung sind - sondern aus Hannover. Denn die Stammgäste kommen jedes Jahr wieder zum 1. Mai und wollten das Spektakel um den geschmückten Baum nicht mehr nur von außen beobachten, sondern aktiv daran teilnehmen.